Rede im Wiener Gemeinderat am 20.3.24 zur aktuelen Stunde: „Jugendgewalt in Wien nimmt zu! Hinschauen statt wegschauen: Verstärktes kommunales Maßnahmenpaket zu Jugendarbeit, Gewaltprävention und Integration gefordert!“

Guten Morgen, Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Wir alle sind von den kürzlichen Ereignissen sehr betroffen – als Eltern, als Nachbarn und als Menschen. Trotz dieser Betroffenheit wird von uns Politiker:innen ein klarer Blick und kühler Kopf verlangt, um notwendige Schritte zu setzen.

Ziel muss es sein, präventiv solche Vorfälle zu verhindern, aber auch, wenn dies nicht mehr gelingt, fachgerecht zu intervenieren und besonders für das Opfer eine gute Nachbetreuung gewährleisten zu können.

Denn auch das zeichnet eine Gesellschaft aus: ob Parteien einen solchen Gewaltvorfall dazu nutzen, um zu verunsichern und Hass zu schüren oder ob wir einen angemessenen Umgang finden, der nachhaltig zu einer sichereren und solidarischen Gesellschaft beiträgt.

Ein Blick in die Geschichte hilft:
Wenn wir einen Schritt zurücksteigen, dann müssen wir leider vor uns selbst zugeben: Gewaltausbrüche sind keinesfalls neu und auch das Thema Jugendbanden, die überwiegend aus männlichen Jugendlichen bestehen. Sie sind Teil der jugendlichen Entwicklung mit der eine Großstadt umgehen muß.

Es gibt Berichte über die Kettenbande, die in den frühen 50ern die Kaiserstraße im 7.Bezirk unsicher gemacht hat. Wir kennen Berichte der Banden am Rennbahnweg  und andere , die noch in den 70ern den Karl Marx Hof in Angst und Schrecken versetzen.

Tatsächlich sind Jugendliche Banden, die zerstörerisch raufend durch die Gassen ziehen, und viele in Angst versetzen, Teil der europäischen Literaturgeschichte: in Romeo und Julia (start im link ab 0.34) zB., genauso wie in der West-Sidestory.
Und leider ist auch die sexuelle Ausbeutung junger Mädchen, Teil der europäischen Geschichte:
Wer hier im Saal kennt nicht die angeblichen Bekenntnisse von Josefine Mutzenbacher, die detailreich beschreibt, wie sie als deutlich minderjähriges Mädchen im Keller ihres Hause kindliche Burschen und erwachsene Männer bedient.

Sexualisierte Übergriffe auf ganz junge Mädchen sind teils belächelter, teils fasziniert beobachteter Teil unserer Geschichte und Kultur – leider.

Eine solidarische modere Gesellschaft setzt sich zum Ziel solche Übergriffe zu verhindern. Als Stadt, als politische Vertreterinnen sehen wir uns in der Verantwortung hier einzugreifen:

Heute im Jahr 2024 sind wir zum Glück in der Lage, Gewalt unter Jugendlichen und sexuelle Übergriffe ganz klar zu benennen und dagegen vorzugehen. Wir wissen auch, was hilft. Wir müssen in die Prävention investieren. Das wissen Sie, liebe KollegInnen auch.  Das bedeutet auch, jedes Opfer von Gewalt bestmöglich vor weiterer Gewalt zu schützen und – und das ist offensichtlich für manche schwer anzuerkennen – es bedeutet auch, mit den Jugendlichen, die Gewalt ausübten, opferschutzorientierte Täterarbeit durchzuführen. Denn diese noch fast Kinder und Jugendliche müssen lernen, dass ein solches Verhalten keinesfalls bagatellisiert wird und sie müssen lernen, sich anders zu verhalten, ansonsten besteht die Gefahr für weitere Übergriffe in der Zukunft!

Die Stadt Wien hat eine lange Tradition offener und aufsuchender Jugendarbeit:
Spätestens ab den 70er Jahren wurde begonnen in offene Jugendarbeit – zu investieren und auch die Männerberatung Wien wurde 1984 als eine der ersten im deutschsprachigen Raum gegründet. Es gibt Jugendzentren, aufsuchende Jugendarbeit, Parkbetreuung  – sinnvolle öffentlich finanzierte Betreuungsangebote. Frühe Hilfen sollen Familien in Krisen beistehen und letztlich hat die MA11 einzugreifen, wenn Gewalt in der Familie eskaliert.

Es gibt also einige Angebote – aber es gibt auch blinde Flecken und wir müssen uns fragen, ob erstens die aktuellen Angebote der Stadt die Zielgruppen auch erreichen,
und zweitens müssen wir uns fragen, wie es mit der Solidarität in der Stadt aussieht, wenn Häuser mitten in der Stadt verfallen und leer stehen, sodass sie zu Tatorten werden können.

Natürlich müssen wir auch nach den Erziehungsberechtigten fragen und diese in die Pflicht nehmen, es gilt hier in Elternarbeit zu investieren, auch in fremdsprachige Angebote (!), um aufzuklären und Hilfe anzubieten. Wir wissen aber auch um die teils desaströsen Zustände in den WGS der Stadt Wien, die es nicht schaffen, Kindern und Jugendlichen den sicheren Raum zu geben, den sie brauchen.

Die WGs für unbegleitete Asylwerber haben ein schlechteres Betreuungsverhältnis als die WGS für Kinder mit österr. Staatsbürgerschaft. Weil für diese Kinder deutlich weniger Budget zur Verfügung gestellt wird

Es braucht dringend einen massiven Ausbau der Psychiatrischen und Psychotherapeutische Angebote für Kinder und Jugendliche !

Es braucht einen deutlichen Ausbau der Schulsozialarbeit und es braucht einen Ausbau der koordinierten Zusammenarbeit von Polizei, Sozialarbeit, MA11, von DERAD und  WNED und Bildungseinrichtungen  – damit jeder Bereich seinen Fachrichtung ihre Expertise einbringen kann, und Probleme frühzeitig erkannt werden können.

Die aktuellen Herausforderungen werden wir nur gemeinsam und in Solidarität lösen können.

DANKE