reden, ideen, transparenz

Kategorie: Gender (Seite 1 von 2)

Unser Zusammenleben ist nach wie vor von vielen Hierarchisierungen geprägt. Das vermeintliche Geschlecht ist eine davon. Die dem biologischen Geschlecht zugeschrieben Charaktereigenschaften und Stereotypisierungen gilt es aufzuspüren und zu überwinden. Erst dann sind wir alle frei.

Das Problem der Philharmoniker ist die Gleichstellung!

Rede anläßlich einer Förderung des Sommernachtskonzerts der Wiener Philharmoniker 2024
zur notwendigen Verankerung von Frauenquoten im der Kulturförderung  im Gemeinderat am 22.4.24

Wir Grüne stimmen heute gegen den Akt fürs  Sommernachtskonzert der Philharmoniker-
Warum ?
Weil wir überzeugt sind, dass solche Förderungen das politische Ziel einer demokratischen Kulturpolitik verfehlen!

Was heißt das konkret?
Demokratische Kulturpolitik bedeutet, dass mittels öffentlicher Kulturgelder auch konkrete Förderziele verfolgt werden (sollen).

Ein konkretes Förderziel kann zum Beispiel Tourismuswerbung für Wien sein –  dieses Ziel halte ich nicht für demokratisch, aber ok, ist halt wirtschaftlich motiviert.

Ein konkretes demokratisches Ziel der Förderpolitik muss sein, dass die vorhandenen Gelder möglichst gerecht verteilt werden. Und hier ist noch einige Luft nach oben.

Was heißt gerecht?
Na, zumindest sollten einmal alle Bevölkerungsgruppen gemäß ihrem Anteil in der Gesellschaft profitieren.
Weniger geschwollen ausgedrückt: wenn 50% der Wiener Bevölkerung Frauen sind, sollte auch 50% der Förderungen an Frauen fließen.

Warum?
Weil an den Unis mindestens 50% Künstlerinnen ausgebildet werden, weil die Exzellenzen da sind.

Was spricht dagegen?
Nichts außer vielleicht die Bequemlichkeit.
Weil es oft einfach bequemer das bekannte zu wiederholen:
Es ist einfacher zum 105 Mal Strauß, Mozart, Haydn, Beethoven  oder Mahler aufzuführen, statt im bestehenden Archiv der MDW eine von 500 dort dokumentierten Komponistinnen auszugraben.

500 Komponistinnen aus allen Jahrhunderten stehen in der MDW zur Verfügung, in einem Archiv hier in Wien.
In Deutschland gibt es noch weitaus mehr Archive. Im Archiv  Frau und Musik in Frankfurt am Main werden sogar 2000 Komponistinnen dokumentiert vom 9. Jhdt. bis ins 21. Jhdt. und 30.000 Medieneinheiten.  Es gibt diese weiblichen Exzellenzen!

Trotzdem schaffen es die Philharmoniker in 20 Jahren beim Sommernachtskonzert nicht mehr als nur EIN einziges Stück einer Komponistin aufzuführen.

Im Jahr 2023 (!) also letztes Jahr wurde erstmals Lili Boulangers „D‘un matin de printemps“ in der Fassung für Orchester 1918 aufgeführt!
Heuer 2024 wird ohoho wieder eins von 10 aufgeführten Werken von einer Komponistin sein: Augusta Holmès, La nuit et l’amour. Zwischenspiel aus Ludus pro patria.

Das sind erste Babyschritte – wunderbar.

Wenn wir in dieser Geschwindigkeit voranschreiten werden wir vielleicht in 20 Jahren bei einer ausgeglichenen Quote sein, vielleihct auch erst in 50 Jahren.

Mehr als 2 Komponistinnen gabs in 20 Jahren nicht zu hören. Quasi keine Musik von Frauen. Beim öffentliche finanzierten Sommernachtskonzert! – Das gratis ist und doch neben der schönen Zeit für die Zuhörenden auch ein wenig einen Bildungsauftrag erfüllen sollte.

Mit 250.000€ für einen Abend muss aus Sicht einer demokratischen Kulturpolitik mehr drin sein, als das ewig selbe.

Mit 250.000 € muss die öffentliche Hand auch ihrem gestaltenden Auftrag machkommen!

Warum ich glaube, dass Wien das tun muss?
Weil die öffentliche Hand wenig andere Steuer-Instrumente hat als konkrete Fördersummen, die vergeben werden oder eben nicht.
Wer steuern will, muss seine Förderungen an Regeln oder Kriterien binden.

Das sind einerseits Transparenz regeln. Klar.
Und dann sind es Regeln die, die FördernehmerInnen motivieren sollen Entscheidungen im Sinne einer solidarischen Gesellschaft zu treffen.

Was heißt das konkret?
Wenn wir wollen, dass mehr Frauen als ausführende KünstlerInnen und mehr Werke von Frauen öffentlich präsentiert werden….
Wenn wir wollen, dass weibliche Exzellenzen sichtbar werden…

Dann  müssen wir die Förderkriterien dementsprechend anpassen.
Deshalb bringen wir heute den Antrag zur Verankerung von Frauenquoten in der Förderkriterien ein.

Und bevor sie jetzt schon nervös werden, meie Herrn. Man kann solche Quoten auch intelligent setzen.

Man kann zum Beispiel – wie die Filmwirtschaft auf Bundesebene es großartig gezeigt hat – Quoten als INCENTIVE setzen.

Wer die Quote erfüllt, bekommt mehr Fördergelder.

Ganz einfach – wer das richtige tut, wird belohnt.
Ein simples Instrument aus der Pädagogik, das funktioniert.
Es ist nicht einzusehen, warum die Wiener Kulturförderung nicht ein ähnliches Instrument für Frauen Quoten entwickeln kann.

Ich bin überzeugt, dass das funktioniert.
Ich freue mich auf ihre Zustimmung.

Vielen DANK

 

Post Scriptum:

Ein Frauenanteil von 15,6% unter den Musiker:innen der Philharmoniker ist im internationalen Umfeld nicht mehr konkurrenzfähig. In Deutschland beträgt, nach einer Studie des deutschen Musikinformationszentrum aus dem Jahr 2021, der Frauenanteil der 129 durch öffentliche Gelder geförderten Orchester gut 40%. Da hinkt das Wiener Orchester deutlich hinterher.  Sogar die Wiener Symphoniker schaffen 25% und das RSO sogar 34% und eine vorsitzende Dirigentin!

Die den Wiener Philharmonikern, die als privater Verein organisiert sind, finden sich zum Vergleich aktuell 19 Frauen, die eine der insgesamt 148 Positionen einnehmen. Darunter sind mit Albena Danailova eine Konzertmeisterin sowie zwei Soloharfenistinnen und eine Solofagottistin.

Die Wiener Symphoniker weisen aktuell einen Frauenanteil von 25 Prozent auf, von 122 Positionen werden 31 von Frauenbekleidet. Vier davon finden sich in höheren Positionen.

Beim ORF-Radiosymphonieorchesterliegt der Frauenanteil aktuell bei rund 34 Prozent (mit Orchesterakademie), es spielen 32 Frauen und 61 Männer. Weiters gibt es eine erste und zweite Konzertmeisterin und ebenso viele männliche Kollegen.

 

Beschluss-(Resolutions-)Antrag

der Gemeinderätinnen Mag. Ursula Berner, MA (GRÜNE) und Viktoria Spielmann, BA (GRÜNE) zu Post Nr. 51 der Tagesordnung für den Gemeinderat am
22.04.2024.

Verankerung einer Gender-Quote in den Förderrichtlinien

Auch 2024 fördert die Stadt Wien, wie schon in den letzten Jahren, das Sommernachtskonzert der Wiener Philharmoniker mit € 250.000. Grundsätzlich ist das Angebot, das berühmte Wiener Orchester einmal gratis live zu sehen, sehr zu begrüßen. Allerdings ist es vollkommen unverständlich, dass es seit Anbeginn dieses seit 2004 bestehenden Konzertangebotes bis heute nicht möglich war, eine weibliche Dirigentin zu engagieren. Ebenfalls scheint auch das Programm aus der Zeit gefallen zu sein: In den 20 Jahren bisher wurde nur ein Stück EINER EINZIGEN Komponistin durch die Philharmoniker aufgeführt. Wer so viel Fördergelder von der öffentlichen Hand erhält, sollte sich seiner Vorbildwirkung bewusst sein und in seinem Programm sowie in der Repräsentation die Realität abbilden. Es ist Zeit, dass auch im klassischen Kultursegment weibliche Exzellenz sicht- und hörbar wird. Es muss die Vielfalt der Gesellschaft abgebildet werden, um adäquat für sie und mit ihr arbeiten zu können. Die Gleichstellung sowie die Abbildung der diversen Realität in Organisationsstrukturen von Empfänger:innen von Fördergeldern sowie in den geförderten Programmen, die dem Publikum präsentiert werden, sind grundlegende Voraussetzungen für die Verwirklichung einer lebensnahen Demokratie. Dies zu verwirklichen bedeutet in vielerlei Hinsicht sowohl eine höhere Lebensqualität für alle als auch mehr Entscheidungsfreiheit und Spielraum für die eigene Lebensgestaltung. Diese ist als Ziel in der österreichischen Verfassung festgeschrieben. Die Gender-Quote in den Förderrichtlinien zu verankern ist eine notwendige kulturpolitische Intervention, um konkrete Gleichstellungsziele zu erreichen und kann somit als diskriminierungsabbauende Maßnahme betrachtet werden.

Die unterzeichnenden Gemeinderätinnen stellen daher gemäß § 27 Abs. 4 der

Geschäftsordnung für den Gemeinderat der Stadt Wien folgenden

BESCHLUSSANTRAG:

Der Gemeinderat der Stadt Wien ersucht die Frau amtsführende Stadträtin für Kultur und Wissenschaft, Gender-Quoten betreffend Programm und Ausführende in den Förderrichtlinien einführen und verankern zu lassen.

In formeller Hinsicht beantragen wir die sofortige Abstimmung dieses Antrags.

Wien, am 22.4.2024


Der Antrag wurde im Gemeinderat am 22.4.24 mehrstimmig abgelehnt

(dh. nur die GRÜNEN haben zugestimmt)

 

LINK zum Nachsehen der Rede und der Debatte

Video: GRin Mag. Ursula Berner, MA – GRÜNE
Link: http://wien.kavedo.com/share.php?d=22_04_2024&r=gr&i=114

Man kann hier auch die Diskusison weiterverfolgen….

 

 

 

 

 

 

 

 

Wer gibt den Ton an? Wien und seine Musiker:innen. Förderungen. Vereinbarkeit. Role Models

Eine Veranstaltung im Wappensaal des Wiener Rathauses zur Musiklandschaft in Wien.

Diskussion und Konzert

Aktuell sehen wir, dass trotz allen Bemühungen die Kulturförderung einem Genderbias unterliegt: es kommen zu wenige Frauen zum Zug und es gibt darüber hinaus zu wenig Diversität unter den Geförderten (gender, ethisch, sozial, Menschen mit Behinderungen).

Einen Nachmittag kang haebn Expert:innen und Musiker:innen Fakten und Studien verglichen, eigene Erfahrungen präsentiert und Massnahmen  und Lösungen diskutiert.

Veranstaltungsberichte:

Radio Orange ttps://cba.fro.at/607616

Music Center Austria https://www.musicaustria.at/der-gegenwind-ist-stark/

Musicbiz MUSICBIZ Feb 23

Nachbericht auf OKTO https://www.okto.tv/de/oktothek/episode/63f7248078841

zusammenfassende VIDEOS zu den Wortinputs:

Karin Steger (Moderation)
Begrüßung durch die Stadträtin Judith Pühringer
Keynote von Irene Suchy (Journalistin, Musikexpertin)

Panel 1 Förderungen
Sabine Reiter, MICA
Eva Maria Bauer, Österr. Musikrat
Myassa Kraitt, Kultur- und Sozialanthropologin und Künstlerin
Eva Kohout, BMKÖS

Gespräch von Karin Steger mit Tahereh Nourani, Musikerin und Jelena Popržan, Musikerin

Panel 2 Vereinbarkeit
Violetta Parisini, Musikerin
Teresa Rotschopf, Musikerin
Sonja Leidpold, Internationale Gesellschaft für Neue Musik
Basma Jabr, Sängerin
Sandra Bohle, FC Gloria

Panel 3 Role Models
Scharmien Zandi, Sängerin/Perfomance
Pete/Prison IV, Perilla Zine Beat
Verena Giesinger, Schmusechor

Konzerte
Ausschnitt aus „Poesie der Komponistinnen“ mit Lena Fankhauser und Hannah Amann
Konzert: Jelena Popržan
Konzert: Schmusechor mit Violetta Parisini

Antwort auf Ioan Holenders Leserbrief in der Presse vom 13.1.

Liebe Redaktion,

Sehr geehrter Herr Holender,

Es ist meine Aufgabe als Politikerin, mich um die zu kümmern, die diese Musik produzieren, also die Musikerinnen und Musiker sowie die Dirigentinnen und Dirigenten, und um die Strukturen, unter denen sie arbeiten.

Wenn man internationale Orchester mit den Wiener Philharmonikern vergleicht, muss man feststellen, dass es weder in Berlin noch in New York noch in Dresden noch beim RSO ein Problem ist, Frauen zu finden, die dirigieren. Sogar die Wiener Symphoniker schaffen es, die Dirigentin Elan Chan zu engagieren. Nur die Wiener Philharmoniker tun sich schwer damit. Es gibt viele exzellente Dirigent:innen, die ausreichend Format haben: es seien hier etwa Oksana Lyniv, Mirga Gražinytė-Tyla, Alondra de la Parra, Marin Alsop, Susanna Mälkki oder Eun Sun Kim erwähnt.

Misogyn ist es zu insinuieren, das Neujahrskonzert wäre zu komplex für das Dirigat durch eine Frau. Misogyn ist es zu sagen „wir warten, bis die Zeit kommt“, aber selbst keine weiteren Schritte in Richtung Veränderung zu setzen.
Wir als Grüne stehen für eine demokratische Kulturpolitik! Das heißt Menschen, die die Fähigkeit haben, zu dirigieren, als Solist:in aufzutreten, sollen das auch tun können. Gerade bei durch öffentliche Gelder finanzierten Kulturevents. Egal welches Geschlecht sie haben und egal welche soziale oder ethnische Geschichte. Exzellenz muss über dem stehen.

Ich kritisiere Strukturen, die implizit bestimmte gesellschaftliche Gruppen ausschließen. Den geringen Frauenanteil bei den Wiener Philharmonikern kritisieren Grüne Kultursprecher:innen übrigens schon seit 20 Jahren!

Wenn Orchester mit Steuergeld finanziert werden, dann müssen für die Förderung auch Kritierien wie Gendergerechtigkeit angewendet werden.

Wir müssen außerdem zukünftige Entwicklungen im Auge behalten: wer will, dass klassische Konzerte auch noch in Zukunft Publikum haben, muss sich jetzt öffnen. Nur, wenn ein Großteil der Bevölkerung das Gefühl hat, dass das, was die Philharmoniker produzieren, auch in ihrem Leben von Relevanz ist, dass sie als Adressat:innen gedacht sind, werden sie auch in Zukunft kommen .
Als Grüne wünschen wir uns, dass die Hochkultur ihren Elfenbeinturm verlässt. Das ist dann demokratische Kulturpolitik und ehrlich, das speist sich aus der Liebe zur klassischen Musik.

Ich lade Ioan Holender und alle Kulturinteressierten herzlich ein, am 17.1. ins Wiener Rathaus zu kommen und mit uns weiter zum Thema „Wer gibt den Ton an? Musiker:innen in Wien“ zu diskutieren.

Mit freundlichen Grüßen Ursula Berner, Kultursprecherin der Wiener Grünen

Ursprünglicher Leserbrief von Ioan Holender

 

Fair Pay braucht ausreichend Mitteln im Kulturbudget – Wien hat das leider nicht geschafft

Sehr geehrte Vorsitzende,
sehr geehrte Frau Stadträtin,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Eine Budgetrede gibt uns die Chance über Grundlegendes zu reden – und genau das will ich heute tun.

Zuerst einmal Danke an Herrn Weber, dass  Sie die rot-grüne Kulturpolitik dre letzen 10 Jahre so loben – hier sind tatsächlich nachhaltige Projekte entstanden. – Machen Sie doch bitte so weiter!

Wenn wir das Gesamt-Budget der Stadt Wien ansehen zeigt sich, dass sich Wien zwar gerne als Kulturhauptstadt Europas bezeichnet – aber leider leider, im Budget ist nur relativ wenig Geld für Kulturausgaben reserviert – ganze 1,7% der 16,2 Milliarden, die Wien 2021 ausgegeben hat werden in Kulturausgaben fließen. Das sind gerade ma 282 Millionen und ein paar zerquetschte. Im Jahr 2022 wird der Anteil noch geringer sein: die Erhöhung um 4 Millionen auf 287 Millionen Kulturbudget macht im Gesamtbudget der Stadt Wien nur einen Anteil von1,64% aus.

Schon hier muss man eigentlich ansetzen:

Wieviel ist uns die Kultur und ihre AkteurInnen wert in dieser Stadt?

Warum soll auch im kommenden Jahr – das (wir wissen es alle) noch immer deutlich von Corona gezeichnet sein wird – warum soll auch im kommenden Jahr, wo überall Wirtschaftsförderungen und Unterstützungsfonds aus dem Boden wachsen – warum also steigt in der Kultur das Budget im dann wohl 3 Coronajahr um marginale 4 Millionen – bei einem Gesamtbudget von 17, 5 Milliarden ist das nicht einmal als Tropfen im großen Budgetfass spürbar. Warum also kann es sein, dass wir gerade bei den Kulturarbeitenden – die in den letzten 2 Jahren kaum oft gar nicht öffentlich Auftreten konnten – warum glaubt die Wiener Stadtregierung, dass es reicht hier das Budget um lumpige 4 Millionen anzuheben?

4 Millionen das wissen sie alle, und wir wissen es auch – das reicht nicht mal um die Inflationsverluste auszugleichen. Die Preissteigerungen in den letzten Monaten lagen bei kapp 3,7%, dh. konkret: nur um die Inflation entlang der aktuellen Wirtschaftslage abzudecken, müssten die Kulturausgaben um ca 10, 4 Millionen steigen.

Und nur um das auch gesagt zu haben – bei diesem Betrag verdient noch niemand mehr! Das wäre einfach der notwendige Betrag den gleiche Leistungen 2022 kosten werden:
Was bei der Infrastruktur oder im Bau fraglos akzeptiert wird – dass Preise sich jährlich entwickeln – wird im Kulturbereich gerne übersehen: es steigt die Miete, es steigen die Kosten für Gas und Strom, es steigen die Kosten für Wasser und Nahrungsmittel, für Gewand und andere Gebrauchsgüter – aber die Honorare in der Kultur bleiben gleich – de facto bedeutet das: die Honorare sinken. Mit dem gleichen Einkommen kann weniger gekauft werden.

Das heißt konkret: wir sollen morgen ein Budget beschließen, dass die Armut unter Kulturarbeitenden weiter fördert.
Wir Grüne werden da nicht mitgehen!

Es ist unmoralisch gerade in dem Bereich zu sparen, wo – laut Studie aus 2018 „Soziale Lage der Kunstschaffenden und Kunst- und Kulturvermittler/innen in Österreich“ schon vor Corona die Einkommensverhältnisse mehr als mager waren: zwischen 5 000 (Literatinnen und bildende Künstlerinnen) und 10 000 euro (Filmschaffende) verdienten Kulturarbeitende im Jahr! Im JAHR!!

Klar, eine Stadt wird niemals die gesamte soziale Absicherung für Kulturarbeitende übernehmen können. Es steht uns aber an, als sogenannte Kulturhauptstadt Europas zumindest in schwierigen Zeiten wie während der Pandemie, die Stellschrauben für Freie und Selbstständige nicht noch zusätzlich enger zu ziehen..

Es sind rund 50% der Kulturarbeitenden im Darstellenden Bereich selbstständig tätig, in der Bildenden Kunst in der Literatur sogar 94%.

Wir werden also mir dem neuen Budget eine de facto Reduktion beschließen – vor allem für Freie.

Wer als Kulturarbeitenden in Institutionen angestellt ist, hat es ungleich leichter: auch wenn hier je nach Größe des Betriebs die Einkommen bzw. die Honorare nicht immer den Fair Pay Richtlinien der Interessensgemeinschaften entsprechen, für Institutionen gab es im Coronajahr Kurzarbeit – also Einkommen und eine gewisse Planbarkeit.

Im Freien Bereich dagegen wird einmal abgesagt, dann verschoben, dann wieder abgesagt und irgendwann lässt man es dann – weil der administrative und Bewerbungs-Aufwand zu hoch ist, beim 3. oder 4. Mal und weil gleichzeitig, das Publikum auch vorerst zumindest doch eher tröpfchenweise eintrifft.

Mit Eintrittsgeld kann man die bisherigen Verluste im seltensten Fall wett machen.

Hier müssen wir schnell Alternativen schaffen –
Arbeitsstipendien können für die kommenden Monate eine gewisse Planbarkeit schaffen. Wer weiß, dass er/sie regelmäßig zumindest etwas Geld bekommt, kann sich einem Projekt widmen – die Stadt gewinnt viele Projekte und behält ausgebildete und aktive KünstlerInnen, die KünstlerInnen können auch bei geschlossenen Bühnen weiterarbeiten. WIN WIN – deshalb bringen wir den
Antrag auf die Einrichtung von 3000 Arbeitststipenden ein. Ich weiß, dass das eine großer Aufwand für die MitarbeiterInnen der MA7 war – danke, dass sie das im vergangen Jahr so toll abgewickelt haben.

Dann komm ich zum 2. Stichwort:

FAIR PAY – FAIR PAY wird schon seit Jahren aber in den letzten Monaten immer stärker diskutiert: Nicht nur die Stahlarbeiter wollen für ihre Arbeitskraft entsprechend entlohnt werden – auch Kulturarbeitende haben einen langen Ausbildungs- und Arbeitsweg hinter sich, bevor sie in der Lage sind öffentlich aufzutreten. Wer leidenschaftlich Computer repariert ist ein Experte, wer leidenschaftlich Geige spielt – macht es nur für die Freude?

Mit der Erhöhung von 4 Millionen im Kulturbudget wird es Wien leider nicht schaffen die Kriterien von Fair Pay – sprich faire Honorarhöhen – zu erfüllen.

Ein echtes FAIR PAY für Wien – sprich eine Förderung entlang des Honorarkatalogs der IGs in Institutionen und im Freien Bereich würde ca. 30 Millionen mehr im Budget brauchen!

30 Millionen mehr! Das wir haben das grob überschlagen .

4 Mio mehr sind dagegen im Budget 2022, das ist nur ein Siebentel davon –
Ein zu kleiner Kuchen für faire Bedingungen!

Solange vor allem neu-Produktionen und Innovatives gefördert wird, solange sich die Förderlogik vor allem EVENTs unterstützt, und solange die Fördersummen nicht an Realkosten angepasst werden, sparen die freischaffenden Kulturarbeitenden in erster Linie an sich selbst.

Ja – produziert nicht soviel – dann kommt ihr leichter mit dem Geld aus“ dieser Vorschlag zur Selbstoptimierung kann leider die grundlegende Schieflage nicht geraderichten: wer weniger oft auftritt, wird weniger gesehen und bekommt in der Folge weniger leicht wieder eine Finanzierung…..

Es ist ein Teufelskreis!

Unser Ziel als PolitikerInnen muss es sein, diesen Teufelskreis zu durchbrechen!
Wir wissen das so keine nachhaltige Kulturpolitik zu machen ist.
Wenn Wien weiter Kulturhauptstadt von Europa bleiben will, müssen wir die Förderungen, die Rahmenbedingungen der Produktionen und die gesamte Kulturlandschaft in der Stadt neu bewerten und vermutlich an einigen Stellen neu ausrichten.


Wie kann das gelingen?

Als Grundlage dazu braucht es einmal valide Zahlen:

  • Wer bekommt wieviel?

  • Wieviel Männer und wieviele Frauen können von der Förderungen profitieren?

  • Welche Angebote werden gerne genutzt?

  • Welche Teile der Bevölkerungen nehmen Kulturangebote an? Wieviele WienerInnen, wieviele Touristinnen? Wieviele Männer und wieviele Frauen in verschiedenen Altersgruppen?

  • Welchen Bildungshintergrund haben die NutzerInnen?

Solche und ähnliche Zahlen werden seit dem letzten Gendermonitoring von 2016 leider nicht mehr umfassende erhoben.

Wir haben nur ein sehr oberflächliches Bild davon, wer aller von den Kulturförderungen profitiert. Wir wissen wenig über die KünstlerInnen, ihre Ausbildungen und Lebenswege,. Wir können kaum mit Sicherheit sagen, ob die Wiener Kulturförderung tatsächlich allen, die hier leben zugänglich ist, welche implizite Ausschlüsse es gibt.

Was wir sehen ist, dass sich die Zusammensetzung der Gesellschaft ändert und, dass das aktuelle Angebot sich deutlich weniger ändert.

Wie kann man dem begegnen?
Man muss es analysieren und dann neue Strategie entwickeln, wenn man auch noch zukünftiges Publikum erreichen will:

Was braucht es dazu?
Wien braucht ein langfristiges Gender und Diversitätsmonitoring für den Kulturbereich! – dazu bringen wir einen Antrag ein!

Die dort erstellten Analysen schaffen eine Basis für einen Kulturentwicklungsplan für Wien!

Wir reden schon lange davon – ich sehe aber im aktuellen Budget leider noch keine Finanzierung für so einen Strategieprozeß! Deshalb stellen wir hiermit den Antrag

zeitnah die nächsten Schritte für einen Kulturentwicklungsplan für Wien zu setzen.

Eigentlich wollte ich noch was zu den Kennzahlen in der Kulturbewertung sagen. Das geht sich aber nimmer aus. Das heb ich mir für nächste mal auf.
Nur soviel –
allein von BesucherInnenzahlen darf man die Förderhöhe nicht abhängig machen!

Kulturangebote machen eine wesentlichen Teil der Lebensqualität in Wien aus. Mit einer gut austarierten Kulturförderung können wir für Publikum wie Kulturarbeitenden einen gute Basis schaffen und die Stadt noch besser, cooler und attraktiver machen.
Liebe Kulturarbeitenden danke, dass ihr in den schweren Zeiten weiter gemacht hat. Ihr habt vielen Hoffnung gebracht! Bitte gebt selbst die Hoffnung nicht auf – es werden bessere Zeiten kommen!

DANKE

Eine öffentliche Intervention gegen Femizide – Kunst als aktiv gestalteter Diskursort.

(Rede im Gemeidnerat am 23.6.2021)

Ich hab den Lockdown unter anderem zum Lesen genutzt…

Besonders gerne lese ich Biographien, und immer häufiger Biographien über Frauen bzw. von Frauen –

Erstaunlich wie viel stark und häufig die Geschichte Wiens von Frauen beeinflusst wurde, und wie wenig das Aufschlag gefunden hat im kollektiven Gedächtnis der Stadt bzw. in der offiziellen Erinnerungspolitik – ich sage nur Wiens Straßennamen – aber das führt weg vom Thema … das werd ich ein anderes Mal vertiefen.

Eine dieser Biographien, die ich kürzlich gelesen hab, ist die von Emmy Werner und das hat mich wieder daran erinnert wie Wien Anfang der 80er ausgesehen hat, wie schwer es war für Frauen in ihrer künstlerischen Arbeit ernst genommen zu werden.

Emmy Werner war eine von ihnen, sie hat nach jahrelangen Unterstützung ihres ebenfalls schauspielenden Gatten – was Neues gewagt: sie wollte eine eigenes Theater – einmal Prinzipalien sein und frei entscheiden, was gespielt wird, wer das inszeniert, welche SchauspielerInnen ausgewählt werden…

Kurz, sie wollte einen eigenen (Kunst-)Raum, wie ihn schon Virgina Woolf für jede Frau gefordert hat. Emmy Werner wollte einen eigene Raum, wo Frauen über Frauenthemen verhandeln. Den hat sie gegründet – auf Eigeninitiative in der Drachengasse und ehrlich – es ist bis heute gut, dass es diesen Raum gibt!

Die Drachengasse, das Theater in der Drachengasse ist inzwischen deutlich größer geworden:

Hier legen die Leitenden weiterhin Schwerpunkt auf zeitgenössischer Dramatik, Förderung von weiblichen Theaterschaffenden, stellen aber auf der Website fest, dass Männer nicht ausgeschlossen sind – weder im Publikum noch als Mitarbeitende.

Die aktuellen Leiterinnen der Drachengasse, Katrin Schurich und Beate Platzgummer, legen darüber hinaus großen Wert auf Nachwuchsförderung und auf Zusammenarbeit mit der freien Szene.

Der jährlich ausgelobte Nachwuchswettbewerb für junge Regisseur*innen geht hier über die Bühne. Das Publikum darf mitwählen, welche Produktion dann eine Basisfinanzierung bekommt.

Hier wurden schon einige Talente entdeckt!

Die Drachengasse hat oftmals als erste schwierige Themen und Tabus aufgegriffen und damit zur öffentlichen Debatte gestellt.

Genau das brauchen wir jetzt macht auch die KUNST IM ÖFFENTLICHEN RAUM:

Das Thema, dass das Frühjahr bestimmt hat – neben Corona – waren die Frauenmorde. Genauer gesagt – die von Männern verübte Gewalt gegen Frauen – deren erstes Motiv nichts anderes als die prinzipelle Aggression gegen das weibliche Geschlecht ist, oder noch anders – Männergewalt von Männern, deren Selbstbild davon ausgeht, dass sie wertvoller sind und daher mit allen anderen – Frauen und Kindern – tut können was, sie wollen.

Das ist ein schwieriges Thema. Es ist ein gesellschaftspolitisches Thema, es ist ein Thema, das noch viel Diskurs und Selbstreflexion verlangt, und es ist ein Thema, das leider auch von den Opfern oft lieber unter der Decke gehalten wird.

Es ist so schmerzhaft in einer Liebesbeziehung zum Opfer zu werden, dass viele Frauen solche Erfahrungen lieber verschwiegen. Dabei trifft es wirklich viele:

Jede fünfte Frau ist ab ihrem 15. Lebensjahr körperlicher und/oder sexualisierter Männergewalt ausgesetzt. Patriarchale Männergewalt gegen Frauen (und oft auch gegen Kinder) ist ein zutiefst strukturelles und gesamtgesellschaftliches Problem.

Auch in Wien sind wir nach wie vor weit davon entfernt, dass die Sensibilisierung bezüglich Männergewalt gegen Frauen breit thematisiert wird. Dabei sind 7 von 15 Frauenmorden in diesem Jahr in Wien passiert. Noch immer wird in Medien verharmlosend und schlicht falsch von „Ehedrama“ oder „Liebestat“ geschrieben, anstatt die Taten als das zu benennen was sie sind: Mord.

Es braucht daher einen öffentlichen, sichtbaren und zentralen Ort, der Männergewalt gegen Frauen thematisiert.

Es braucht eine künstlerische Intervention, die Frauen und Mädchen unterstützt sich nicht als Opfer und vor allem nicht als Schuldige für den Übergriff fühlen.

Es ist kein Einzelschicksal! soll hier vermittelt werden!

Hier geht es um gesellschaftliche Strukturen und Hierarchien, die gewaltvolle Übergriffe erleichtern. Diese Strukturen müssen aufgeweicht werden – sie zu erkennen und zu benennen ist der erste Schritt dazu.

Gewalt gegen Frauen ist kein persönliches Schicksal, sondern Gewalt uns geht uns alle an.

Eine solche künstlerische Intervention schafft eine Diskussionsgrundlage und im besten Fall ein Bewusstsein dafür, dass Männergewalt an Frauen und Kindern bzw. häusliche Gewalt eine Verletzung der Menschenwürde und eine Straftat ist.
Das Thema Gewalt gegen Frauen durch Männer muss enttabuisiert werden.

Deshalb stellen wir Grüne den Antrag an die zuständigen Stadträtinnen für Kultur und Wissenschaft Veronica Kaup-Hasler und für Wohnen, Wohnbau und Frauen Kathrin Gaal das KÖR – Kunst im öffentlichen Raum beauftragt eine Wettbewerb auszuschreiben für eine künstlerische Intervention, die Männergewalt gegen Frauen als Straftat und Verletzung der Menschenwürde thematisiert.

Mit dem Ziel dieses Objekt zur Sensibilisierung an einem zentralen, frequentierten Ort in Wien umzusetzen. Und hier damit einen öffentlichen Diskursraum aufzumachen.

Danke für ihre Zustimmung!

(Der Antrag wurde von der rot-pinken Regierung am 23.6.2021 abgelehnt)

 

Ohne valide Zahlen gibts keine Gleichstellung – Plädoyer für einen Gleichstellungsmonitor für Kunst,Kultur und Wissenschaft in Wien

Equal Pay in der Kulturförderung braucht Daten und Anlaysen – Rede im Gemeinderat am 25.2.2021

Es ist schon wieder passiert – und ich bin überzeugt ganz unabsichtlich ….

Ich hab hier die Liste von Förderungen der Stadt Wien an KomponistInnen im letzten Jahr … und was sieht man da von 68 Einzel-Förderungen gehen 51 an Männer und nur 17 an Frauen – das heißt 75% der Förderungen wurden an Männer ausgezahlt – 75 % das heißt nur 25%, nur ¼ der Förderungen ging an Frauen – in Zahlen ist es noch schlimmer – diese 25% Frauen bekommen nämlich außerdem noch auch anteilig weniger tatsächliche Geldsummen: von 150.000€  Gesamt-Fördersumme gehen nur 28.100 € an Frauen – das sind gerade mal 18,7% der vergeben Fördergelder. Das hat mich ehrlich irritiert als ich die Unterlagen gelesen habe. Das passiert in einer Stadt, die sich auf die Fahnen schreibt, dass

Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein erklärtes Ziel der Wiener Stadtregierung. Seit Jahrzehnten gibt es ein klares Bekenntnis von Politik und Verwaltung, die Leistungen und Angebote der Stadt für alle Geschlechter gleichermaßen zugänglich zu machen.“ (zit aus „Gender-Leitfaden im Kunst- und Kulturbereich“ der Stadt Wien 2017)

Natürlich kommt dieses massive Ungleichgewicht in der Förderung nicht, weil irgendwer absichtlich Frauen benachteiligen will – es passiert einfach, weil niemand drauf schaut!

Es passiert, weil nirgends in den Förderkriterien explizit steht, dass die Förderungen quotiert sein müssen.

Es passiert, weil nicht darüber nachgedacht wird, welche impliziten Ausschließungskriterien Frauen im Musikbereich daran hindern, für eine Förderung einzureichen.

Es passiert, weil sobald es nicht mehr massiv eingefordert wird,
sobald nicht explizit aufmerksam gemacht wird, dass man auch Frauen berücksichtigen muss,
weil sobald wir alle glauben, es ist eh schon alles gleichgestellt,
sich still und heimlich Bequemlichkeit und Traditionen fortsetzen.
Und die sind patriarchal geprägt und männlich geprägt.

Die Musiksparte ist traditionell eine, wo weniger Frauen aufscheinen – obwohl auch hier im Musikstudium in Österreich laut Statistik Austria selbst annähernde gleich viele Frauen wie Männer studieren, ca. 50% . Selbst in der Komposition sind es noch 34% Frauen – zumindest laut den Zahlen vom Deutschen Kulturrat 2020 – in Österreich sind diese Zahlen leider nicht so leicht öffentlich zugänglich.

Die Frauen scheinen im Laufe der Zeit zu verschwinden – oder sie orientieren sich um. Jedenfalls finden wir sie nicht mehr in der Förderstatistik.

Warum das so ist, wissen wir leider nicht,

Wir wissen auch nicht genau, welche Maßnahmen wir setzen sollten, um implizite Ausschließungsmechanismen abzuändern.

Wir wissen nicht, welche konkreten kulturpolitische Interventionen eine Gleichstellung in der Förderwirkung erreichen können – wir wissen es nicht, weil wir sie schlicht keine Daten dazu erheben.

Wir haben nur rudimentäre Zahlen, wie viele und wie hohe Fördersummen bei Frauen bzw. bei Männern ankommen.

Wir haben nur eine grobe Ergebnisanalyse über die Verteilung von Männern und Frauen in großen und kleinen Kulturinstitutionen dieser Stadt, weil wir nur die oberste Hierarchieebene in den Daten erfassen.

Kulturpolitische Entscheidungen werden aber auf allen Ebene getroffen. Ständig. Inhalte werden von der Dramaturgie genauso beeinflusst, wie vom Regisseur – ja meist ist das ein Mann.

Um tatsächlich eine geschlechtergerechte Verteilung von Fördergeldern zu erreichen – zu der wir uns als Stadt Wien bekennen, um tatsächlich ein reales Genderbudget im Kunst und Kulturbereich – und auch in der Wissenschaft umzusetzen, um also unser Ziele in der Gleichstellung als moderne Stadt des 21. Jahrhundert zu erreichen – brauchen wir belastbare und umfassende Daten, wer wieviel bekommt. Wieviel Geld geht an Frauen, wieviel Geld geht an Männer.

Wir brauchen dringend einen neuen Gleichstellungsmonitor für Kultur und Wissenschaft – eine jährliche Analyse, die kontinuierlich Förderwirkungen und Politikziele verfolgt.

Nur mit Hilfe einer umfassenden Analyse von spezifischen Daten ist es möglich konkrete Maßnahmen zur Gleichstellung zu setzen – und das wichtigste dabei – die Maßnahmen auch anzupassen, wenn sich nach einiger Zeit herausstellt, dass sie nicht erreichen, was wir erreichen wollen.

Deshalb stellen wir Grüne hiermit den Antrag nach Einrichtung eines regelmäßig publizierten Gleichstellungsmonitors für Kunst, Kultur und Wissenschaft.

Warum wir das wollen: Die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern ist grundlegende Voraussetzung für die Verwirklichung von Demokratie. – das sagen nicht nur FeministInnen, so steht es in der österreichischen Verfassung.

Gleichstellung lässt sich nicht herbei reden,

Inhaltlich ist die Gleichstellung und das equal pay – das gleiche Einkommen für gleiche Leistung – selten aber doch Thema in der Kunst, wie auch auf der Bühne. Aber die, die vorne öffentlich drüber reden, gehen dann hinten beim Bühneneingang raus – mit dem halben Lohn in der Hand.

Das kann man ändern, und das müssen wir ändern.

Es reicht nicht in Kunst und Kultur Bereich nur über die Gleichstellung reden, die Ungleichheiten sichtbar zumachen – es braucht Taten, es braucht konkrete Veränderungen und aktiv gesetzte Maßnahmen. Gerade auch in der Förderpolitik.

Der Gleichstellungsmonitor ist ein Schritt, um strukturiert Fehlentwicklungen zu analysieren und konkrete Verbesserungen anzugehen.

Politik und Verwaltung muss für optimale Rahmenbedingungen sorgen, um Frauen und Männern die gleichen Möglichkeiten und Chancen zu gewähren. Daher bin ich für Steuerungsmechanismen, die auf Ausgewogenheit im künstlerischen und kulturellen Feld achten“, das sagten Sie Frau Stadträtin – ich bin da ganz bei Ihnen – der baldige Frauentag wäre ein guter Anlass die Basis für mehr Geschlechtergerechtigkeit in ihrem Ressort zu legen – mit einem umfassend neu aufgesetzten Gleichstellungsmonitor für Kunst, Kultur und Wissenschaft.

Jenseits des Patriarchats: Das feministische Gesicht des Islam

Vortrag und Diskussion mit Seyran Ates mit einem Kommentar von Sibylle Hamann am 13. Juni 2017

Einleitung: Berivan Aslan
Moderation: Ursula Berner

„Ich träume von einer Moschee, in der alle Menschen zusammenkommen, die sich für den Islam interessieren und/oder daran glauben. Eine Moschee, in der es keine Geschlechterapartheid gibt und daher Männer und Frauen im selben wunderschönen Raum beten können. Das ist räumlich machbar! Der Mensch muss es nur wollen, wie alles andere im Leben auch.

Meines Erachtens können wir gegen Hassprediger nur ankommen, wenn wir ausreichend Liebe predigen. Das geschieht nun mal vor allem in der Moschee. Die Jugend und liberale Muslime haben zurzeit keine Alternative zu den konservativen, teilweise verkrusteten Moschee-Gemeinden.“ (Seyran Ates auf ihrer Website)

Seyran Ates ist gläubige Muslima mit kurdisch-türkischen Wurzeln. Sie lehnt jeglichen Fundamentalismus ab und will einen offiziellen Ort für die Muslime schaffen, denen die „normalen“ Predigten zu konservativ sind. Deswegen hat sie gemeinsam mit Mitstreitern eine liberale Moschee in Berlin  gegründet. Eine Moschee, in der Sunniten, Schiiten und Aleviten zusammen beten. In der Frauen Kopftuch tragen können – oder auch nicht. Und in der Imaminnen predigen – Imame natürlich auch. Sie möchte langfristig sogar selbst Imamin werden und Freitagspredigten halten. Ihr Projekt ist wegweisend für Deutschland.

Am 16. Juni soll es in der neuen Moschee in Berlin das erste Freitagsgebet geben. Die Freitagspredigt wird die jeminitisch-schweizerische Politologin Elham Manea halten. Frauen und Männer sollen gemeinsam beten. Danach wird es ein gemeinsames Fastenbrechen geben – denn das erste Freitagsgebet fällt in den Ramadan, den Fastenmonat. Am selben Tag wird Ateş‘ Buch über den Weg zur liberalen Moschee und ihre eigene Ausbildung zur Imamin erscheinen: „Selam, Frau Imamin“.

Bei uns ist Seyran Ates vor allem als Vorkämpferin für  Selbstbestimmungsrechte von Frauen bekannt. In ihrem Vortrag wird sie auch davon berichten, wo sie die Chancen sieht den Islam „von innen heraus“ zur reformieren.

Beginn: 19.30 Uhr
Ort: Aula AAKH Wien, 1090

Eine Anmeldung ist erforderlich: buero(at)gbw.at
EIne Veranstaltung der Grünen Bildungswerkstatt in Kooperation mit den Grünen Frauen Wien

Nachschau zu HAMAMNESS Gender Jihad bei den Wiener Festwochen

Neue feministische Ansätze interessieren mich immer.  Wenn Feminismus in Zusammenhang mit muslimischen Frauen diskutiert wird umso mehr.
Deshalb fand ich es mutig, dass die Wiener Festwochen sich dem Thema Interkulturalität, Kolonialismen, Minderheiten  etc aktiv angenommen haben und unter anderem im Rahmen von HAMAMNESS mit unterschiedlichen Veranstaltungen versuchen den Blick der BesucherInnen zu öffnen oder zu erweitern.

Soweit so gut .

Das war die Stimmung mit der ich mich auf das Projekt „Gender Jihad“ – wohl bewusst provokant gewählt  – einließ …

Als Gast wurde frau zunächst fein umschmeichelnd begrüßt und  eingeladen erstmal alles „abzulegen“ gute Düfte zu genießen und die Zeit zu vergessen und den Alltag  etc.

Dann begibt sich die Frau in das erste der 3 riesigen Luftballonzelte: es ist heiß, es gibt Teppiche, man sitzt am Boden trinkt Tee oder Wasser und „kommt einmal an“.  Eine weitere Schleuse führt in die Nassräume – es ist heiß, es gibt  zwei Liegen für Massagen oder Einseifungen; Wasserbrunnen, Gefäße zum sich abzuspülen, ein paar Hocker… und dann öffnet sich ein zweites Nasszelt, das außer den genannten Gegenständen auch noch einen Warmen Stein bereitstellt – es ist feuchtwarm… frau fühlt sich zunächst ein wenig verloren, lässt sich dann darauf ein, schwitzt und seift und spült und plaudert und kommt irgendwann, weichgespült und sanft gerippelt, zurück zum Teezelt.

Dort hat sich inzwischen Amani Abuzahra in die Mitte gesetzt und beginnt ohne sich vorzustellen zu sprechen – sie trage ein Kopftuch und es alles völlig selbstbestimmt, und sie fühle sich diskriminiert, wenn sie jemand nach ihrer Herkunft fragt, die wäre Liesing, oder Amstetten oder Gmunden – je  nach Lebensstadium. Aber eigentlich will sie nicht, dass man danach fragt, weil das ist zu intim und ausgrenzend.

OK – das löst ein wenig Irritation aus im Publikum – und Diskussion, ob Fragen nicht auch Interesse bekundet…

Dann erfahren wir, dass Mohammends erste Frau um 25 Jahre älter gewesen sei als er zur Zeit der Heirat – dass es also eine lange feministische Tradition gäbe im Islam. Interessant, denke ich.

Und versuche schließlich herauszufinden, wie eine Frau wie sie – geboren in Österreich mit Eltern aus Palästina – die Situation einschätzt: als Ausstehende sehe ich scheinbar immer mehr Frauen mit Kopftuch im öffentlichen Raum auch hier in Wien, mitten in Europa. Noch vor 30 Jahren war das weder in der Türkei noch im Iran üblich. Ob es nicht vielleicht auch eine politische Dimension hätte, das Kopftuch zu tragen.

Jetzt wird die weichgespülte sanfte Referentin ärgerlich, sie möchte keine Zuschreibungen, alles ist eine ganz persönliche Entscheidung, auch in ihrem Fall und man kann das nicht vergleichen ihr Kopftuchtragen, mit dem in der Türkei.

Ihre persönlichen Gründe dafür will sie aber nicht verraten – was ich persönlich sehr schade finde, weil wenn frau schon mit dem Thema so explizit in eine öffentliche Veranstaltung geht – muss Besucherin wohl davon ausgehen, das genau das nachgefragt werden darf. War die Auseinandersetzung mit dem Thema nicht Teil des Konzepts der interaktiven Kunst-Performance-Lecture? Wer hier die Veranstaltung ausgesucht hat, Eintritt bezahlt hat, sich weichkochen ließ, hat ein gewisses Interesse am Thema. Niemand kommt her “um jemanden per se abzuwerten oder auszugrenzen“. Als Gast erwarte ich einen interaktiven Abend in einem spezifischen Umfeld – ein Experiment.

Wer hier ist bezeugt Interesse und erwartet einen echten Austausch auf Augenhöhe – schließlich sind alle hier (fast) nackt. Das könnte man auch übertragen lesen.

Stattdessen wird genau die Exotik behauptet und aktiv beworben, die wenn ich das Programm richtig verstanden habe, doch angeblich aufgelöst werden soll: „Willkommen in einer fremden Welt“ wird der Besucherin vermittelt, entspann dich mal und trau dich Grenzen zu überschreiten und was ganz Neues kennenzulernen – Ja eh, aber warum genau inszenieren sich die GestalterInnen und KuratorInnen als unbekannte Fremde? Sind wir nicht in Österreich, das seit langem durch eine multiethnische Bevölkerung geprägt ist (gut einige sind Deutsche, zumindest nach Akzent)? Gibt es hier nicht schon mindestens seit den Römern Warmwasserbäder, oder im Neusprech mittlerweile Wellnesstempel? Warum wird das angeblich „Fremde“ hier so inszeniert und von der Referentin noch betont: ich bin die Andere, ich ziehe mich anders an (beim Vortrag hatte sie kein Kopftuch auf) ich gehöre zu euch, aber irgendwie bin ich anders, aber ihr dürft nicht nachfragen, wenn ihr den Eindruck habt, ich sei nicht von hier. Heißt das nachfragen allein schon, dass man jemanden ausgrenzt? Wovon genau?
Die Wiener Bevölkerung sind derzeit ca 1,8 Mio Menschen, davon sind ca 500.000 als Fremd definiert, dh haben eine andere Staatsbürgerschaft, 215.000 aus der EU, ca 180.000 von außerhalb der EU; die Statsistik Austria weißt von den ca 1,8, Mio ca 700.000 als mit Migrationshintergrund aus – das sind etwa die Hälfte ! Auch wenn diese Definition „Migrationshintergrund“ sehr schwammig ist und zu hinterfragen, bleibt die Grundfrage:

WELCHES WIR GRENZT WEN AUS?

Muslime sind rein historisch schon ca seit dem 10.Jhdt. in Österreich (damals der Monarchie) ansässig. Gesichert seit 1476 im Vorfeld der Türkenkriege und spätestens seit 1912 ist der Islam nach hanafitischen Recht in Österreich als Religionsgemeinschaft anerkannt.

Als Festwochengast hätte ich gerne mehr Informationen über die Geschichte der Muslime in Österreich gehabt, zumindest kursorisch. Detailreicher vielleicht ab den 70ern, mit Einschätzungen zur Arbeitsmigration und am liebsten auch von den vielen unterschiedlichen muslimischen Strömungen heute hier in Österreich erfahren. Dazu gibt es viel Material nicht zuletzt, weil viele engagierte SozialhistorikerInnen in dem Bereich geforscht haben und auch schon Ausstellungen  dazu öffentlich zu sehen waren. (zB http://gastarbajteri.at/)

Stattdessen fand ich mich in einer tendenziösen Veranstaltung, die in allgemeinen Bildern von den unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Muslime sprach. Dann aber nicht bereit war auf Fragen zu aufklärerisch feministischen Projekten, wie der Mosche mit weiblichen Imamen von Seyran Ates in Berlin, einzugehen. Ebenso wenig auf die Nachfrage nach jenen Aleviten, die ein Kopftuch ja explizit ablehnen, sich aber dennoch muslimisch verstehen.

Es mag sein, dass das Kopftuch für eine palästinensisch geprägte Frau andere Aspekte symbolisiert, als für eine türkische Frau – aber warum kann sie dann im Sinne der Aufklärung nicht darüber sprechen? Und schwurbelt nur von der ganz persönlichen Entscheidung, deren Grundlagen sie aber nicht offenlegen will – weil das zu intim sei. Als säße sie in einem Glaskubus allein und abgekehrt von der Welt. Als spielte die Gesellschaft um sie keine Rolle – außer als abzulehnendes Element.

Geht es bei der Veranstaltung nicht genau um diese Auseinandersetzung? Zwischen der Eigenwahrnehmung und der Fremdwahrnehmung? geht es nihct darum in einem relativ sicher gesetzten Raum (einem abgeshclossenen Schwitzszelt) einen gleichwertigen Austausch ohne vorgefertigter Unterstellungen zu ermöglichen?

Warum laden die Festwochen angeblich im Dienste der Aufklärung ReferentInnen ein, die eine Reflexion ihres Tuns in bezug zu Hierarchisierungen innerhalb der modernen Gesellschaft genauso wie für unterschiedliche Islamische Strömungen verweigern?

Ich finde es ausnehmend Schade, dass sich die Festwochen eines derart politischen Themas annehmen und es dann so scheinbar unpolitisch umsetzen.  Wie der sanfte Wasserdampf scheint der Vortrag von Amani Abuzahra das Publikum einhüllen zu sollenum was genau zu erreichen? Lassen sich hier die Festwochen für eine bestimmte tendenziöse Richtung einspannen?

Der seit Anfang der 1990ern geprägte Begriff  Gender Jihad bezeichnete ursprünglich eine Bewegung muslimischer Frauen, die weltweit für weibliche Emanzipation und Reformen innerhalb des Islams kämpfen. Unter Gleichberechtigung verstehen sie: rechtliche Gleichstellung sowie ein vollkommenes Selbstbestimmungsrecht der Frau, allerdings unter dem Banner der Religion. Das Tragen eines Kopftuchs oder eines Schleiers ist damit nicht automatisch verbunden. «Es ist nicht der Islam, der Frauen das Kopftuch vorschreibt, sondern es sind die Gelehrten», schrieb Asar Nomani,  eine der Vorkämpferinnen der Bewegung, die selbst in West Virginia eine Moschee gegründet hat, in der «Washington Post». Inzwischen wird diese Bewegung allerdings immer wieder auch auch von konservativen Richtungen gestützt.

Für ein geschlechtergerechtes Verständnis des Islam reicht es nicht aus, dieses einfach zu behaupten – es braucht dafür eine offene Auseinandersetzung, eine Analyse mit Auswirkungen aller Regeln und Gebräuche auf Frauen und Männer und eine wohlwollende Darstellung verschiedener muslimischen Strömungen. Genau das wünsche ich mir, wenn die Wiener Festwochen diese Thema so aufwendig inszenieren , Brüche udn Inkonsequenzen inklusive.

Was wir stattdessen erlebt haben, waren Abwertungen der vermeintlichen ReformerInnen und Infragestellung der Kompetenz sämtlicher Diskussionsbeiträge aus dem Publikum …

Das Projekt hinterlässt leider ein zutiefst unrundes Gefühl bei der Besucherin – trotz der feinen Lavendelöle …

Ankündigung aus dem Festwochen Programm:

Gender Jihad
Mit dem Begriff Gender Jihad rufen Muslimische Feminist*innen zu einem Jihad (Anstrengung, Kampf) für ein anti-patriarchales und geschlechtergerechtes Verständnis von Islam auf und darüber hinaus.
Die vielen Fatma Morganas über Frauen als dominierungsaffine Subjekte lichten sich durch eine emanzipatorische heterogene Frauenbewegung. Gender Jihad ist postkolonialer Feminismus. Frauen zeigen selbst- und nicht fremdbestimmt wie feministische Solidarität funktionieren kann. Amani Abuzahra wirft einen Blick auf die Geschichte von Frauen im Islam um neue Denkwege zu eröffnen. Was Gender Jihad im Körper einer Schwarzen Muslimischen Frau bedeutet, wird Ismahan Wayan mit Hilfe von Schwarzen und Muslimischen Denker*innen reflektieren und diskutieren. Performativ erforscht Sara Mikolai queer-feministische Beziehungen. Aus Ungewissheiten wird Kollektivität. Die Transformationskünstlerin Eisa Jocson untersucht Gender und Exotismen.
Hamamness
ruft zu einem Jihad der Solidarität auf!

Termine:
1. Juni mit Amani Abuzahra & Sara Mikolai
2. Juni mit Amani Abuzahra & Ismahan Wayah & Sara Mikolai
3. Juni mit Amani Abuzahra & Ismahan Wayah & Eisa Jocson
4. Juni mit Amani Abuzahra & Eisa Jocson

IntAkt zu Gast in der Grünen Galerie 7

Vor 40 Jahren hat sich IntAkt als internationale feministische Aktionsgemeinschaft bildender Künstlerinnen gegründet. Die Ausstellung versteht sich in der Tradition der kritischen Malerei. Die Künstlerinnen laden ein zu neuen Blicken aufs „Grüne“ und ins “Grüne“.

Es werden Werke zur Beziehung Frau-Natur-Gesellschaft mit allen Veränderungen und Bedrohungen, denen wir als Teil der bedrohten Natur ausgesetzt sind, gezeigt. Die Darstellung von Lebensweise soll in Beziehung mit der uns umgebenden Natur und dem Betrachter erfahren werden, unter dem speziellen Aspekt der weiblichen Lebenserfahrungen.

„Frühstück Im Grünen“, als Arbeitsthema verstanden, verweist auf die Traditionen kritischer Malerei. Die Ansage „Frühstück“ verweist auf etwas NEUES, auf Tagesbeginn, Jugend, Schönheit, Inspiration, auch auf direkt gelebte Sinnlichkeit. Weibliche Sinnlichkeit? Wo sind die Grenzen zum „Fest“? Kunst stellt Fragen, und lädt ins Grüne.

(Gudrun Kaitna-Engel)

VERNISSAGE am 14.6. ab 19.00 Uhr

In der Grünen Galerie hermanngasse 25, 1070 Wien

Mehr zu IntAkt: www.intakt-kuenstlerinnen.com

Hier gehts zur Website der Neubauer Grünen

Antwort auf den offenen Brief der Fraueninitiative vom Brunnenmarkt

Ich habe euren offenen Brief (siehe weiter unten) gelesen.

Ich verstehe alle Ängste. Ich kann das Unsicherheitsgefühl, das sich gerade verbreitet wahrnehmen.

Dennoch bin ich irritiert wie schnell wir alle einer medial verstärkten Hetze aufsitzen. Es gilt gerade in diesen von euch beschriebenen Fällen das eine vom anderen zu trennen.

Psychisch kranke Personen, die jahrelang im öffentlichen Raum leben, ohne betreut zu werden, sind ein Skandal – da gebe ich euch recht. Ich wünsch mir in einer Stadt zu leben, in der diese Menschen versorgt werden, dh konkret Ausbau der Streetwork und der psychosozialen Dienste, mehr betreute WGs, die auch denen offenstehen, die keine ausreichende Sozialversicherung haben, Suchtprävention etc.

Das hat aber überhaupt nichts mit der „WILLKOMMENSKULTUR“ zu tun. Willkommenskultur verweist darauf prinzipiell Menschen offen entgegen zu treten, ihnen Grundversorgung anzubieten und sie möglichst rasch zu integrieren, statt sie in irgendwelchen großen Lagern versauern zu lassen. Dh konkret: Kinder rasch in Schulen aufnehmen, und für Erwachsene gesetzliche Grundlagen für eine Selbstversorgung zu schaffen – zB Änderungen im Gewerberecht, fundierte Deutschkurse, Unterstützung bei den Ämtern,  Arbeitserlaubnis etc.

Der Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Jahren massiv geändert. Neoliberale Tendenzen, Stakeholder Value führen dazu, dass immer mehr Menschen im Sinne der Wertsteigerung und Effizienz „aussortiert“ werden, wenn sie nicht mehr die geforderte Leistung bringen. Und diese Leistung orientiert sich sehr oft an 25-jährigen jungen Männern, die bereit und körperlich in der Lage sind rund um die Uhr zu arbeiten, ohne Rücksicht auf Verluste. Es wird zukünftig  ca 30% der erwachsenen Bevölkerung – MigrantInnen und Nicht-MigrantInnen – geben, die nicht arbeiten können oder keine Möglichkeit dazu haben, dh wir brauchen ein Sozialsystem, das nicht auf Erwerbsarbeit fußt.

Mit euren Brief verstärkt ihr den Ausgrenzungsdiskurs. („Missbrauch des öffentlichen Raums“?) Die, die es nicht geschafft haben sollen gefälligst verschwinden. Sie sind schon durch ihr Dasein gesetzeswidrig. Das wird so nicht gehen.

Es braucht eine soziale Kontrolle von jeden von uns, es braucht „österreichische“ Männer, die auftreten und Klartext sprechen, wenn es zu Übergriffen kommt, es braucht Sozialarbeit vor Ort, und es braucht wohl couragiertes Einfordern von Einhalten von gemeinsamen Regeln im direkten Gespräch. Wahrscheinlich braucht es langfristig eine Legalisierung des Cannabishandels aber gleichzeitig auch Ideen, wo all die jungen Männer, die derzeit dealen, sonst arbeiten, bzw Geldverdienen können. Niemand hängt gern perspektivenlos am Straßenrand herum.

In einer offenen, modernen Gesellschaft wird es immer notwendig sein erkämpfte Rechte zu achten und zu verteidigen: das Recht auf Meinungsfreiheit, das Wahlrecht, die Menschenrechte. Wir dürfen uns nicht in einer Richtung drängen lassen, die es radikalen Kräften leicht macht, Einschränkungen dieser Rechte für alle einzufordern.

Alle Erfahrungen mit Einschränkungen der persönlichen Rechte unter dem Vorwand der allgemeinen Sicherheit zeigen, dass wir damit langfristig nichts gewinnen. Nur wenn wir für einen möglichst großen Teil der Bevölkerung eine gute Grundversorgung – medizinisch und finanziell und sozial – sicherstellen können, werden wir langfristig in einer guten sicheren Stadt mit hoher Lebensqualität leben

Im Yppenviertel hat sich die Fraueninitiative Brunnenmarkt formiert und diesen offenen Brief verfasst:

„Offener Brief der Fraueninitiative Brunnenmarkt

Wien gehört uns allen! Die Ermordung der 54jährigen Maria E. am Brunnenmarkt auf ihrem Arbeitsweg durch einen illegal in Österreich lebenden, obdachlosen Kenianer hat uns aufgerüttelt. Die Belästigungen von Frauen und Schulkindern zwischen Brunnenmarkt und Josefstädterstraße, aber auch entlang der U6 durch herumlungernde Dealer und ihre Kunden wollen wir nicht hinnehmen. Es empört uns, dass der Spielplatz am Yppenplatz und der Platz vor dem Yppenheim zu Aufenthaltsorten für Corner Boys und Obdachlose verkommen, die diese teuer sanierten Plätze, die als Freiräume für Familien und Kinder dienen sollen, zumüllen. Die Gehsteige am Gürtel, sowie zwischen Gürtel und Brunnenmarkt verkommen zu öffentlichen Latrinen und werden unbegehbar. Auch wenn uns statistisch keine Bezirksauswertung von Übergriffen vorliegt, ist unser Lebensgefühl zunehmend beeinträchtigt. Die Vergewaltigung einer jungen Türkin durch junge Afghanen in einer Damentoilette am Praterstern zeigt uns, dass nicht nur unser Bezirk betroffen ist. Wir verwehren uns gegen diesen Missbrauch des öffentlichen Raums. Wien gilt als eine Stadt mit hoher Lebensqualität. Teil dieser Qualität ist, dass Frauen, Mädchen, Kinder sich sicher fühlen können und ihre Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt wird. Wir fordern Behörden, Politik und soziale Einrichtungen zu einer besseren übergreifenden Zusammenarbeit auf, damit sich Frauen und Kinder, Wienerinnen und Wiener, Besucher und Touristinnen auch weiterhin mit einem guten Gefühl, untertags, abends und auch in der Nacht frei in dieser Stadt bewegen können. Kreative Lösungen sind gefragt! Wir bekennen uns zum gedeihlichen Zusammenleben von Menschen verschiedenster Herkunft in unserem lebensfrohen Viertel, das als Erfolgsprojekt gilt in dieser Stadt. Doch zu Migration und Willkommenskultur gehören begleitende Maßnahmen, besonders auch für jene, die die Regeln in unserer Gesellschaft weder verstehen noch respektieren wollen. Frauen mit Minirock, Frauen mit Kopftuch. Frauen dieser Stadt: Stehen wir zusammen. Treten wir auf gegen Vandalismus und Gewalt. Schauen wir genau hin und nicht weg. Sagen wir es laut, besonders jenen, die sich die Freiräume unserer Stadt mit Ignoranz und Respektlosigkeit aneignen: Wien gehört uns allen!“

Unterschiften Fraueninitiative Brunnenmarkt:

Dr. Therese Backhausen Kunsthistorikerin, Nicole Albert-Wilding Körpertherapeutin-Kinesiologin, Renate Gerlach Malerin, Monika Wageneder Revisorin, Hedwig Rotter Designerin, Martina Schmidt Programmleitung Deuticke Verlag, Sabina Schebrak Musikmanagerin, Katja Beran Journalistin- Werbetexterin-Psychotherapeutin i. A.u.S, Miki Ivancsics Körpertherapeutin, Andrea Reindl M.A. Sachbearbeiterin- Generaldirektion Hauptverband d. österr. Sozialversicherungsträger, Dr. Ines Mitterer de Guitart Journalistin, DI Anette Stiegelmayer Rechteklärung Technisches Museum Wien, Angelika Krabacher acting International Director Region &Director of Fund Development & Communications-SOS Kinderdorf, Irene Strobl Geschäftsinhaberin La Salvia, Claudia Neuhauser ORF Journalistin-Weltjournal, Marietta Schwerdtner Geschäftsfrau, Heidi Gruber Ordinationsassistentin, Maria Zelger Pensionistin, Tina Nikiema-Spiegl Lektorin , Christine Vilanek Bankangestellte, Anne Macchietto della Rossa PR Beraterin, Corinne Walter Französischlehrerin & Übersetzerin, Andrea Kaiser Projektleiterin, Christine Pietsch Casinos Austria-Assistentin der Geschäftsführung, Sylvie Proidl bildende Künstlerin, Brigitte Pichl, Petra Wagner Psychologin, Sabine Lackner Psychotherapeutin, Ingrid Lux Buchhändlerin, Gerda Seitz – und Helmuth Klicpera, DI Dr. Leo GRILL, Beamter in Pension Dr Franz Grill, Thomas Krampl, Stefan Ludwig, Regisseur, Claude Nikiema Bühnentechniker, Liam Nikiema Schüler, Peter Seitz, Walter Erdelitsch Journalist.

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