Sehr geehrte Vorsitzende,
sehr geehrte Frau Stadträtin,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Wir werden der Kenntnisnahme zum Restitutionsbericht zustimmen – weil ehrlich gesagt, gelesen habe ich den Bericht ja.
Aber wir haben einige Kritikpunkte.
Es ist mir ein Anliegen, dass die hier öffentlich werden.
Was in den 2000ern engagiert begonnen hat, ist mittlerweile zur Pflichtübung verkommen.
Ein kurzer Rückblick – für alle die, nicht Ausschuss sind und den Hintergrund nicht so präsent haben:
Nach dem 2 Weltkrieg gab es in Österreich und insbesondere in Wien, keine großen Anstalten durch die Nazis geraubte Objekte – Kunstgegenstände, Wohnungen, Bücher und mehr – wieder an die ursprünglichen BesitzerInnen zurück zu geben.
Ein entscheidender Wendepunkt kam Ende der 1990er Jahre: Der internationale Druck nach prominenten Restitutionsfällen (wie der Beschlagnahmung von Schiele-Gemälden in New York 1997) führte 1998 zum Bundes-Kunstrückgabegesetz und 1999 zu einem analogen Gemeinderatsbeschluss für Wien. Damit verpflichtete sich die Stadt, unrechtmäßig erworbene Objekte an die ursprünglichen Eigentümer:innen oder deren Erben zurückzugeben.
Seither haben wir jährlich einen Restitutionsbericht im Ausschuss – etwa 3.200 Objekte wurden mittlerweile restituiert. Allerdings: Je länger der Beschluss vorbei ist aber, desto schleppender gehen weitere Rückgabeprozesse.
Woran lese ich ab, dass das Erstellen des Berichts bzw die dahinter stehende Arbeit mittlerweile nur mehr als lässliche Pflicht betrachtet wird?
Ich streiche ein paar Punkte heraus.
- Die Person, die in den Ausschuss eingeladen wurde, um Unklarheiten aus dem Bericht zu erklären, beantwortet konsequent keine Frage zu Objekten aus der Bibliothek – weil sie dafür nicht zuständig ist.
- Es finden sich mehrerer Absätze, die offenbar Jahr für Jahr einfach weiter kopiert werden, ohne dass 1 Jahr lang essenzielle Arbeit oder Nachforschung passiert wäre
- 21 Objekte, die von der VUGESTA – der Verwaltungsstelle jüdischen Umzugsgutes der Gestapo – also von dieser Stelle geraubt! – als sogenanntes anonymes jüdisches Vermögen angekauft wurden. Sie sind laut Gemeinderatsbeschluss dem Nationalfonds zu übereignen …
Die Frage bleibt : Wann werden die dem Nationalfonds übergeben? Was wird dazu unternommen sie zu übernehmen?
Die Veräußerung der Objekte sollte ja vor allem den überlebenden Opfern zu Gute kommen, nur die werden bald alle verstorben sein. - Es bleibt nicht nachvollziehbar warum, Besitztümer der Familie Menzel aus dem Bund schon 2021 refundiert werden konnten, während dieselbe Familie für die Wiener Restitutionsforschung angeblich unerreichbar ist.
- Es ist erfreulich, dass Fehler in der Recherche um Teresa Fedorowa Ries im heurigen Bericht ergänzt werden konnten.
Wer war das? Teresa Feodorowna Ries war um 1900 eine gefeierte Bildhauerin und Malerin, die als Jüdin und Frau jedoch während der NS-Zeit aus dem kulturellen Gedächtnis Wiens verdrängt wurde. Ihre wichtigsten Werke, darunter das berühmte Selbstbildnis und vier Skulpturen (u.a. „Die Hexe“), überstanden Krieg, Vandalismus und jahrzehntelange Vernachlässigung und befinden sich heute im Wien Museum
Die grundlegende Frage, wem die „Hexe bei der Toilette zur Walpurgersnacht“ aber nun wirklich gehört -, konnte 2024 leider wieder nicht geklärt werden.
warum?
Zitat aus dem rstitutionsbericht: Um es einzusehen, bräuchte es aber die Genehmigung der „Commissione per il notariato“, der Notariatskammer in Lugano. Dieser Auskunft folgten etliche Versuche von Ulrike Hirhager und Michael Wladika, diese Institution per Telefon oder E-Mail zu erreichen. Es gibt weder einen Anrufbeantworter noch eine Empfangsbestätigung für die eingegangenen E-Mails. Deshalb wurde am 4. September 2024 Christoph Thun-Hohenstein, Sektionschef der Sektion „Internationale Kulturangelegenheiten“ des österreichischen Außenministeriums, um Unterstützung bei den laufenden Bemühungen ersucht. Im Berichtszeitraum ist keine Antwort eingelangt.
Sorry die Stadt Wien schafft es trotz aller diplomatischen Beziehungen nicht in ein Testament Einsicht zu nehmen?
Thun Hohenstein ist schon seit Monaten nicht mehr im Amt! Seither ist es nicht gelungen seine Nachfolgerin Regina Rusz zu kontaktieren und nachzufragen??
Das wirkt leider eher, als wäre es sehr im Interesse der Stadt und des Wien Museums, das attraktive Objekte einfach weiter als Anziehungspunkt auszustellen – und als Eigentum zu betrachten?
Die Hexe ist tatsächlich eine beeindruckende Statue.
Es wäre aber zu wünschen, dass vor Ort im Wien Museum zumindest auch der KONTEXT um die unklaren Besitzverhältnisse öffentlich dargestellt wird.
Eigentlich erzählen ja gerade diese unklaren Besitzverhältnisse sehr viel über die Geschichte in Österreich, über die lange Verweigerung der politisch Verantwortlichen in unserer Republik und unserer Stadt sich mit geraubter Kunst auseinander zu setzen, und über den schwierigen Weg bis auch das offizielle Österreich sich der eigenen Verantwortung bezüglich der Auswirkungen des Nationalsozialismus stellte.
Die Aufarbeitung bezüglich der eigenen Schuld hat in Österreich eh lange genug gedauert – ich sage nur das Stichwort Waldheim. Das war 1986! Immerhin 41 Jahre nach Kriegsende!
Erst 1991 entschuldigte sich Vranitzky öffentlich, er erkannte die österreichische Mitschuld an der Nazidiktatur und des damit einhergehenden Holocaust an und relativierte damit endlich die sogenannte österreichische Opferthese.
Der Fall der Restitutionsfrage um die Kunstwerke von Teresa Fedorowa Ries wird mittlerweile auch international als Beispiel für die strukturellen Schwächen der österreichischen Restitutionspraxis wahrgenommen. Künstlerische Initiativen und Ausstellungen, versuchen, das Vermächtnis von Ries wieder sichtbar zu machen und Druck auf die Institutionen auszuüben.
Die Stadt Wien wirkt da wenig engagiert.
Mein Appell für zukünftige Restitutionsberichte ist daher:
Nehmen sie die Restitution ernst. Gerade jetzt, wo die letzten Überlebenden langsam sterben, wäre es dringend notwendig schnell zu handeln.
Dh. konkret:
Es ist zuwenig festzuschreiben, dass herrenlose Objekte an den Nationalfonds übergeben werden sollen – man muss es auch tatsächlich tun!
Es ist zuwenig jedes Jahr erneut festzustellen, dass die Erben leider ihre Dinge nicht abholen – es ist an der Zeit sie aktiv zu kontaktieren!
Es ist zu wenig, festzustellen, dass man leider das Testament von Teresa Fedorowa Ries nicht einsehen konnte – man muss diplomatisch Hebel in Bewegung setzen!
Sonst bleibt der schale Eindruck, dass das Wien Museum ein arisiertes Objekt als Eigentum vermarktet.
Kurz es ist zuwenig sich auf ehemaligen Erfolgen auszuruhen.
Wer Restitution ernst meint,
wer ernsthaft versucht ehemalige Verbrechen zu ahnden, zumindest was verlorene Objekte betrifft, der muss mehr in die Gänge kommen!
Ich hoffe auf mehr Engagement beim nächstjährigen Restitutionsbericht und in der Provenienz Arbeit dazwischen!
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
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